Die polnische Künstlerin, Natalia Stachon (*1976 in Katowice, PL) arbeitet vor allem bildhauerisch. Ihr Anliegen ist es, in minimalistischen Arbeiten, das vermeintlich Fertige, Unveränderbare, die in unserer westlichen Vorstellung verhaftete Idee vom Vollständigen und Rationalen zu hinterfragen und dadurch insbesondere den Raum als wan- delbar und dynamisch erfahrbar zu machen. Dabei orientiert sie sich stets an den räumlichen Gegebenheiten des Ortes, mit denen ihre Skulpturen und Installationen ein komplexes Wechselspiel eingehen, in das der Besucher unweigerlich eingebunden wird.
In der Ausstellung »No End in Sight« zeigt Natalia Stachon eine speziell für Junge Kunst entwickelte Installation, die sich über die gesamten drei Etagen des Ausstellungsraumes erstreckt. Ein Bündel verzurrter Rohre aus Plexiglas wird über zwei Deckenhaken mit einem im Untergeschoss befestigten Seil in der Schwebe gehalten. Ein weiterer Stapel Rohre liegt auf einer Edelstahlwippe am Boden. Die Präsentation erinnert an die Benutzung von Baustoffen auf einer Baustelle. Man scheint es mit einem provisorischen Zustand zu tun zu haben, so als hingen und lägen die Rohre dort lediglich bis zu ihrer weiteren Verwendung. Zugleich erzeugen die hier entstandenen Schwebezustände und die verwendeten empfindlichen Materialien eine Atmosphäre der Bewegung, des Prozessualen und Instabilen. Der Titel »Drift«, unterstreicht diese Assoziation der Bewegung, des »Abdriftens«, er meint aber auch ein Weiterdenken, welches über das räumlich Wahrgenommene hinausgeht.
Dieser Transfer wird unterstützt durch einen Schriftzug an der Stirnwand des Ausstellungsraumes, der die Aufmerksamkeit des Betrachters auf eine geistige, poetische Ebene lenkt: »This Rainbow spanning our two worlds becomes more than a bridge between them: They fade into Geography«. Natalia Stachon bedient sich hier der Poesie des britischen Lyrikers Robert Graves, der in diesem Gedichtsauszug das räumliche Bild des Regenbogens equivalent für die Verbindung zweier Menschen und ihrer Liebe zueinander einsetzt. Nicht der Beginn und das Ziel sind entscheidend, sondern das Dazwischen, der Weg, den man geht, der Prozess des Werdens.
Begleitet wird die Installation durch Siebdrucke und Collagen der Serien »Rendering« (Wiedergabe) und »Container«, die Natalia Stachons Auseinandersetzung mit der Wahrnehmung von Architektur und Raum auf der Fläche widerspiegeln. Allen in Junge Kunst gezeigten Arbeiten liegt eine dichotomische Struktur zugrunde, die den Raum zu einer erfahrbaren Bezugsgröße werden lässt: Raum und Fläche, Oben und Unten, Hell und Dunkel, Sichtbarkeit und Unsichtbarkeit, sowie Distanz und Nähe. Stachons lyrisch-minimalistische Arbeiten erzeugen eine Atmosphäre, die sowohl die Beziehung der Werke zum Raum, als auch die eigene Anwesenheit darin erlebbar werden lässt. Sie bewegen sich im Transitorischen und auf diesem Weg setzen sie eine Vielzahl von Bedeutungen frei.
Natalia Stachon lebt und arbeitet in Berlin. Seit 2006 betreibt die Künstlerin den nicht kommerziellen Ausstellungs- raum NEXT VISIT in Berlin-Mitte.