In der Betrachtung der populaeren Kultur von der Talkshow ueber Techno bis zu HighTechTools wie Computerspiel und Mobilphon herrscht im intellektuellen Raum zwischen Merkur und der Stil-Seite des FRZ-Feuilletons noch immer jener ausgepraegt distinguierte Gestus vor, dem der kuIturpessimistisehe Furor von Adorno und Horkheimer in den Knochen steckt. Ihr In den vierziger Jahren konstatierter UerbIendungszusammenhang, in dem alle Produkte der Kulturindustrie und deren Konsumenten stehen, ist bis heute Matrix der Beurteilung.
Gaebe es nicht den Theorieimport aus Frankreich, die Texte der Soziologen Bourdieu und de Certeau, muesste man wenig von den tatsaechlich stattfindenden Aneignungs- und Manipulationsmoeglichkeiten, die sich dem gar nicht ohnmaechtigen Kulturkunden bieten. Michel de Certeau beschreibt In seinem Buch Die Kunst des Handelns ausfuehrlich Aeusserungspraktiken, die sich innerhalb vorgegebener Rahmen ergeben, sprich: im Umgang mit gekauften Produkten oder bei Veranstaltungen, fuer die Eintrittsgeld verlangt wird. Dort entwickelt sich ein, wie er es nennt, Know how ohne Diskurs, ein sich immer wieder neu formierendes und deshalb nicht zu fixierendes Wissen, sich gegenueber vorgegeben Dingen, Ideen und Ilusionen als selbstbestimmtes Individuum zu erfahren. Das ist die eine Seite. Aber wie ist die aktuelle Lage in den Wohlstandsnationen, die als ganze schon gerne als Freizeitparks beschrieben werden? Kann sich die sogenannte Erlebnisgesellschaft darueber noch einig werden, was zu erleben wuenschenswert sei? Kaum. So trennen sich die Sphaeren, und Sozialitaet verrinnt an den Schwellen, wo Passworte, Dress- und Nummerncodes und Gesichtskontrollen herrschen. Der oeffentliche Raum wird mehr und mehr als feindseliges Areal erlebt, als diffuser Mix aus Autoverkehr, Kriminalitaet und Drogenkonsum. Das Erleben des selbstbestimmten Seins wird an private oder allenfalls halboeffentliche Orte verlegt.
Davon handelt Bernhardt Martins Ausstellung Members Only. Die Arbeiten, die so angeordnet sind, dass sich die Narration eines Freizeitwochenendes ergibt - Sex, Essen, Ausruhen, Spielen, Konsumieren, Ausgehen - greifen Klischees und Erlebnisse auf. Darin liegt der kritische Unterton. In ihrem Wie aber lassen sie etwas von positiven de Certeauschen Adaptionsidee spueren. Die Bilder quellen ueber, das Handgeraet des Nitendo-Spiels wird zum uebergrossen Sofa, die Fleischschichten des Doener-Grills haengen als Lederlappen unappetitlich aufeinander, und die Single-Disco Whisper Club ist mit einem Uebermass an Eindrucksmoegichkeiten ausgestattet. Dieses Uebermaessige, Grundzug der kuenstlerisehen Arbeit Bernhard Martins, ist Zeugnis des angesprochenen Know hows: Wissen, wie man sich die Welt zu eigen macht, ohne ein schlechtes Gewissen zu bekommen.
Martin Pesch