Die Bildwelten des chinesischen Malers Rao Fu sind von den unterschiedlichen Kulturen des Ostens und Westens geprägt, wie auch seine eigene Biografie diese beiden Pole vereint. Fu wurde 1978 in Peking geboren und wuchs in Tsingtau auf. Mit Anfang 20 kam er nach Deutschland, um an der Hochschule für Bildende Künste in Dresden Malerei und Grafik zu studieren. Was er dort an westlichen Kunsttraditionen lernte, verbindet er mit Techniken, Motiven und Materialien chinesischer Malerei, deren wichtigste Utensilien Papier, Pinsel und Tusche sind. Nach einigen Experimenten - unter anderem mit Sojaöl - entdeckte er Bitumen als Farbe, die er bis heute in Kombination mit Pigmenten und Ölfarben verwendet. Weil das schwarz-braune, ölige Bitumen wasserlöslich ist, verbindet es Eigenschaften westlicher Ölmalerei mit der Ausdrucksvielfalt von chinesischer Tuschemalerei.
Im Zentrum der Einzelausstellung von Rao Fu im Kunstverein Junge Kunst in Wolfsburg stehen Arbeiten aus jüngster Zeit. Der chinesische Künstler hat einen neuen Stil in seiner Malerei entwickelt, der als Synthese unterschiedlicher vorangegangener Bildprogramme gesehen werde kann. Von der Collage als Kompositionsprinzip ausgehend entstand seit 2014 eine Reihe von Arbeiten, die ihre Flächigkeit durch die nicht-hierarchische Anordnung der Bildelemente betonen. Spannung wird vornehmlich durch Polaritäten wie den Kontrast von weiß und schwarz, malerisch und grafisch oder gegenständlich und konkret herausgearbeitet. Besonders auffallend sind die geometrischen Formen, die keinerlei Einbindung in den angedeuteten erzählerischen Fluss der Darstellung erhalten. Harte Umrisslinien von Dreiecken und Kreisen treffen auf einen fließenden Malgestus. In diesem Arbeitsprozess entfernt sich Fu mehr und mehr von seinen visuellen Inspirationsquellen, so dass der Ausdrucksgehalt seiner Bilder aus seiner Vorstellung entstammt ohne eine notwendige Beziehung zum Dargestellten. Diese Werke haben eindeutig die Grenzen des traditionellen Genres der chinesischen Landschaftsmalerei verlassen. Im Chinesischen taucht der Begriff „feng jing" erstmals für Kunstwerke auf, die von der Rezeption westlicher Traditionen beeinflusst in Öl gemalt wurden. Wörtlich übersetzt heißt er „Wind Ansicht", wobei „Wind“ sowohl den Charakter und die Eigenschaften einer Landschaft als auch eine Haltung bezeichnet. Als programmatisch kann deshalb Rao Fus Wahl des Titels für die Ausstellung sowie für ein gleichnamiges Bild interpretiert werden. „Follow Wind" ist eine freie grammatikalische Übersetzung von „sui feng", dessen Bedeutung sich nicht in „mit dem Wind" erschöpft, sondern ebenfalls einer „Intuition zu folgen" meint.
Selbst bei der Künstlergeneration von Rao Fu besteht ein starkes Bewusstsein für die technischen, aber auch die philosophischen Ressourcen der eigenen Malereitradition, beim Malen den Gedanken freien Raum zu lassen und den Pinsel ohne Intentionalität auf den Malvorgang zu führen.